Fahren an der steilen WandEine Fahrt auf einem alten Motorrad mit 50 Kilometern in der Stunde klingt nicht besonders spektakulär? Kommt darauf an. Denn wenn das Motorrad eine wunderschöne alte Indian ist, die an einer senkrechten Wand entlang rast, während der Fahrer trotz mehrfacher Schwerkraft freihändig Kunststücke macht, sieht das schon ganz anders aus.

Das Steilwandfahren ist eine seit etwa einhundert Jahren bestehende Jahrmarktsattraktion, die heute nur noch von wenigen todesmutigen Artisten vorgeführt wird. Knochenbrüche gehören ebenso dazu wie der absolute Adrenalinrausch.

Viel mehr Jahrmarkt passt in keine Atmosphäre. Die Zuschauer stehen am Rand eines grob zusammengezimmerten Fasses aus Holz, Motoren dröhnen, es riecht nach Benzin und Öl. Artisten auf schweren, alten Motorrädern donnern immer schneller und immer steiler die Wand der Arena entlang, mit jeder Umkreisung schrauben sie sich höher hinauf in Richtung des Randes und des Publikums. Wer einmal eine Steilwand-Show gesehen hat, wird die Szenerie so schnell nicht vergessen.

Eine Attraktion mit langer Geschichte

Seit in den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts entsprechend starke Motorräder auf den Markt kamen, waren über viele Jahrzehnte Steilwandfahrer eine beliebte Attraktion auf unzähligen Jahrmärkten. Zwar ist diese Kunst heute nicht mehr sehr weit verbreitet, einige Schausteller betreiben dieses Geschäft aber weiterhin, oft in vierter oder fünfter Generation. Gleich geblieben sind nicht nur die großen, kesselförmigen Arenen aus Holz, auch die Motorräder haben oft schon zahllose Jahrzehnte auf dem Buckel. Die Indian 750 Scout, die ab 1920 vom gleichnamigen Hersteller in den USA angeboten wurde, bietet viele Vorteile: Sie ist extrem robust, hat einen tiefen Schwerpunkt und der Gashebel hat eine Feststell-Funktion, die das freihändige Fahren in der Steilwand erst ermöglicht.

Sieben Fahrer in der TodeskugelFahrt in der Todeskugel

Mit dem Einzug des Fernsehens in alle Haushalte in den Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg verloren Jahrmärkte an Attraktivität. Dementsprechend ging in dieser Zeit auch die Zahl der Steilwandfahrer zurück. Allerdings gibt es bis heute noch einige Vertreter dieser Kunst, die ihren Beruf nicht nur pflegen, sondern auch weiterentwickeln.
Da es neben dem Nervenkitzel auch die Attraktivität der vorgeführten Kunststücke und Figuren ist, die den großen Reiz des Steilwandfahrens ausmacht, wurden hier bewusst neue Wege beschritten. Etwa seit 1964 gibt es die „Todeskugel“. Hier sind die Fahrer in einem kugelförmigen Käfig aus Stahl unterwegs, der nicht nur das Fahren entlang der Wände, sondern auch Loopings erlaubt. Der aktuelle Weltrekord liegt bei sieben Fahrern, die gleichzeitig in einer nur fünf Meter durchmessenden Kugel unterwegs sind. Aufgestellt wurde der Rekord 2014 von einem Team um den Schweizer Extremsportler Freddy Nock.

Werde ein Bikinger!

Melde Dich hier an, um Teil der Bikinger Community zu werden.

Deine Daten sind sicher. Du kannst Dich jederzeit aus dem Verteiler austragen!

Wie man ein Steilwandfahrer wird

Einen Ausbildungsberuf, der einen zum Steilwandfahrer qualifiziert, gibt es natürlich nicht. Deswegen kommen die meisten Artisten, die diesen Job ausüben, aus einer Familie von Schaustellern oder sind über die Arbeit auf dem Jahrmarkt auf die Idee gekommen, sich auf das Motorrad zu setzen. Wie in jedem anderen Beruf, der risikobehaftet ist und ein besonderes Talent voraussetzt, gibt es jedoch einige Voraussetzungen, die ein Steilwandfahrer mitbringen muss. Zunächst absolute körperliche Fitness. Denn die Fliehkräfte, die auf den Fahrer einwirken, entsprechen in der Belastung durchaus denen, die ein Jet-Pilot im Kurvenflug erlebt.

Zudem darf keine Angst vor Stürzen und Knochenbrüchen bestehen. Gerade, wenn mehrere Fahrer gleichzeitig in der Trommel oder der Todeskugel unterwegs sind, stehen spektakuläre Stürze oder ein Zusammenprall auf der Tagesordnung. Und zu guter Letzt muss ein Steilwandfahrer bereit sein, Teile seines Privatlebens zu opfern. Denn wer mindestens die Hälfte des Jahres auf Reisen verbringt, wird sicher nicht leicht einen Partner finden. Viele Steilwandfahrer nehmen all diese Belastungen jedoch über Jahre hinweg billigend in Kauf. Denn nichts ist für sie vergleichbar mit dem Rausch, den das Fahren vor Publikum und unter permanenter Lebensgefahr auslöst.

 

Werde Teil der Bikinger Community!

Erhalte mehr Tipps & Infos rund ums Motorradfahren!

Deine Daten sind sicher. Du kannst Dich jederzeit aus dem Verteiler austragen.